Ökologische Verarmung deutscher Gartenanlagen

Ansätze zur Planung pflegeleichter moderner Gartenanlagen mit pflegeextensiven Aspekten, als Kompromiss zur absoluten Sterilität aus der Sicht eines Landschaftsarchitekten.

Von Stephan Sallermann


 

Seit mindestens etwa 15 Jahre hat in den Gärten der Deutschen eine unübersehbare Wandlung zur Versiegelung und Sterilität eingesetzt. Hat man sich in der Gartengestaltung in den 1970 er und 1980 er Jahren noch über allgegenwärtige Cotoneasterflächen aufgeregt, werden in der letzten Zeit vielerorts zusätzlich große Flächen von Außenanlagen mit einem Textilvlies bedeckt auf dem Schotter oder Kies verteilt wird. Weiterhin werden befestigte Flächen in Hausgärten zunehmend auf betonierte Untergründe hergestellt und somit versiegelt. Eine Rasenfläche, die ständig von einem Mähroboter kurzgehalten wird, bildet den restlichen offenen Teil der Gartenanlage. Eine Einfriedung besteht dann aus Kirschlorbeer- oder Lebensbaumhecken, weil sie kein Laub abwerfen. Dieser gewünschte Sichtschutz kann aber alternativ durchaus auch aus mit Schotter gefüllten Stabgitterzaunanlagen bestehen.

 

Hintergrund all dieser Monotonie ist der Wunsch des bewohnenden meist kinderlosen, karriereorientierten, vollberufstätigen Paar im Garten keinerlei pflegetechnische Aktivitäten betreiben zu müssen. Außerdem meinen die Eigenheimbesitzer, ihre moderne Bauhausarchitektur lässt keine ökologische Gartengestaltung zu.

 

Eigentlich will man ja nur im Garten sitzen und auf keinen Fall die knappe Freizeit mit Gartenarbeit verbringen.


Irgendwie klar verständlich, die Argumente dieser Gartenbesitzer lassen sich daher auch auf dem ersten Blick kaum aushebeln. Außerdem finden die Besitzer solcher Gärten ihre Anlage schön. Da hilft es nicht dies nur zu verteufeln, man muss als Planer überzeugen. Auch muss klar sein, dass nur die Wenigsten einen reinen Naturgarten haben wollen. Da kann der Naturschutz noch so viel propagieren. Die Masse will da aber nichts von hören. Genau diese Mitbürger muss man also zur Beratung abholen, auf die pflegeextensiven Wünsche eingehen und diese mit ökologischen Aspekten so gut wie möglich abwickeln.

Wie überzeugt man diese Ideologen nun in der Hinsicht, dass mit einem Hausgarten auch eine gewisse ökologische Verantwortung besteht?

Bei zahlreichen Gartenbesitzer, die ausschließlich auf dieser naturfernen Schiene unterwegs sind, ist jede Beratung in eine ökologisch sinnvollere Richtung nahezu unmöglich.

Es gibt aber trotzdem zahlreiche Kompromissmöglichkeiten, da muss ein ökologisch denkender Planer versuchen das Optimale herauszuholen. Auch in einer Außenanlage von Gebäuden mit moderner Architektur gibt es einige akzeptable Möglichkeiten. Jede landschaftsökologische Optimierung ist für die Umwelt wertvoll.

Bestenfalls gelingt es noch die Steingärten aus Schotter als eine Art Steppengarten anzulegen. Die Beetflächen werden dann wie gewünscht mit einem Textilvlies bedeckt und mit feinerem Schotter oder Splitt bedeckt. Stellenweise werden Nester aus Felsbrocken eingestreut. Gestalterisch eigentlich dann recht ansehnlich. Da müssen dann aber unbedingt passende blühende Pflanzen eingefügt werden. Es werden nun zahlreiche Löcher in das Textilvlies geschnitten und mit Stauden, Gräsern und kleinen Sträuchern bepflanzt.

Pflanzensoziologisch werden Arten aus dem riesigen Angebot der inzwischen gut gärtnerisch kultivierten Steppen- und Magerwiesenvegetation ausgewählt (z.B. die Dauerblüher: Gelber Lerchensporn, Spornblume, Katzenminze, Sonnenhut, Storchenschnabel Jolly Bee). Das können dann ruhig auch recht zahlreiche einzelne Pflanzengruppen werden. In einigen Jahren kann so dann eine doch noch recht insektenfreundliche Beetfläche entstehen. Ein Verwildern der Bepflanzung und die Ansamung von unerwünschten Kräutern ist stark eingeschränkt. Das ist schon Mal ein pflegeleichter Kompromiss der sich gut vermitteln lässt.

Eine weitere Optimierung dieser Steingartenform wäre natürlich, man ließe die Vliesabdeckung völlig weg. Um trotzdem eine Beetfläche mit geringerer Pflegeintensität zu bekommen, mischt man einfach die oberen 15 cm Mutterboden mit 15 cm Kalksteinfeinsplitt. Die Korngröße wäre etwa 2-8 mm. So entsteht eine extrem lockere, unbindige Beetoberfläche. Oberflächenwasser wird sehr gut abgeführt. Schöne insektenfreundliche Steppenpflanzen und Blumenzwiebeln lassen sich hier gut anpflanzen. Die Auswahl ist theoretisch ja sehr groß. Tolle Blühaspekte entwickeln sich hier. Klar werden sich hier auch gerne Fremdkräuter ansiedeln, die lassen sich in dem lockeren Bodengemisch aber sehr leicht herausziehen.

Optimieren kann man so eine Anlage dann noch mit einem Wasserbecken aus Hart-PVC oder einem ähnlichen Baustoff. Ökologisch natürlich nicht optimal, aber richtig angelegt auch wieder ein pflegeleichter Kompromiss. Diese Hartschalenbecken gibt es auch mit guter Uferzonierung und günstiger Wassertiefe von 90 cm. Diese kleine Wasseranlage wird abwechslungsreich bepflanzt und mit Bruchsteinen und natürlichem Altholz wie Baumwurzeln innerhalb des Gewässers wie am Ufer aufgewertet.

Sehr schnell finden sich Vögel, verschiedenste Amphibien und Insekten ein, die die Anlage auf ihre Art nutzen. Diese Becken lassen sich sehr gut pflegen. Ist es nach einigen Jahren verschlammt und zugewachsen ist es sehr schnell entleert und gesäubert. Das Becken kann man gut mit einem kleinen Schwarm Moderlieschen besetzen. Dieser heimische, kleine, insektenfressende Fisch dämmt Mückenlarven ein, vermehrt sich dem Gewässer entsprechend optimal und dient dem durchziehenden Eisvogel vortrefflich als Nahrung.

Die Einfriedung durch die immergrünen Hecken sind schwer gleichwertig zu ersetzen. Optimal wäre eine Heckenlösung aus frei wachsenden Sträuchern, die ungefüllte Blüten besitzen. Am besten wären natürlich heimische Arten. Das wäre natürlich ein sehr positives Umdenken. Grundsätzlich versuche ich die Heckenidee aus Kirschlorbeersträuchern mit dem Argument auszuhebeln, dass diese Gattung im Grunde gar keine gute Heckenpflanze ist. Bei ihr wächst das Stammholz viel zu kräftig weiter, auch wenn regelmäßig geschnitten wird. So ist hier eine Hainbuchen-, Weißdorn- oder Ligusterhecke für den regelmäßigen Heckenschnitt wesentlich vorteilhafter.

Ein Laubbaum gehört ja eigentlich auch in den Garten.

Der standardisierte sechs Meter breite Reihenhausgarten bietet nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Höchstens am Kopfende ist Platz für ein Gewächs mittlerer Größe. Ansonsten kommt sehr schnell der Einwand, ein Baum nimmt uns das Licht und verliert Blätter. Was geht denn da?

Kugelbäume gehen trotzdem so gut wie immer, sind architektonisch interessant. Aber ökologisch nur eingeschränkt wertig.

Da ist Überzeugungsarbeit notwendig, um wenigstens die Wahl für eine blühende Art treffen. Früchte wären auch noch gut. Ein schöner Blattaustrieb und eine farbige, lange Herbstfärbung sind für das Wohlempfinden des Betrachters. Ein Großbaum wie Bergahorn, Eiche oder Buche gehen natürlich nicht. Die haben in der Regel keine endlose Zukunft in einem normalen Hausgarten.

Neben dem großen Angebot von gut geeigneten Obstbäumen sind unter den oben genannten Kriterien Kanadische Felsenbirnen eine sehr gute Wahl. Die passen wirklich in jeden noch so kleinen Garten. Auch unsere einheimische Traubenkirsche ist so ein Volltreffer. Er wird weitläufig in der Verwendung vergessen. Ist aber wirklich gut geeignet. Sollte das Gewächs schon so aussehen wie ein Baum aber nicht allzu mächtig groß werden, gibt es aus dem Zuchtangebot der Spitzahorne alle nur denkbaren Wunschformen und Endwuchsgrößen. Mein Tipp: Der Ahorn, Acer platanoides Columnare, erfüllt alle oben genannten Kriterien, hat aber natürlich keine besonders verwertbaren Früchte. Die Krone bildet sich tropfenförmig eng und dicht aus. Er wächst ziemlich langsam. Sieht aber trotzdem aus wie ein richtiger Baum und wird auch noch von Insekten sowie Vögeln geliebt.


Wenn es dann unbedingt ein immergrüner Nadelbaum sein soll, ist die ökologische Qualität schon recht eingeschränkt. Trotzdem, einen Tipp für einen Baum, der noch eine recht lockere interessante Wuchsform hat und in dem schon Mal recht gerne Vögel brüten, habe ich aus der Gattung der Wacholder parat: Juniperus virginiana Canaertii. Den gibt es je nach dem Zufallsprinzip säulenförmig oder breit buschig, mit langen einzelnen kandelaberartigen Ästen. Meine Empfehlung für den Kauf gilt ausnahmslos für die zweite Variante.

Kurz anreißen möchte ich auch die Begrünung von Dächern, vor allem Flachdächer sind zur extensiven Begrünung vorbestimmt. Die Pflanzenauswahl dieser Anlagen wird aus dem Spektrum der von Insekten geliebten Magerwiesenflora getroffen (z. B. Sedumarten, Nelkenarten, Thymian, Schnittlauch, Botanische Tulpen und Krokusse, Zwergiris). Richtig angelegt kommen diese Anlagen ewig ohne Pflege aus. Nur die Entwässerungssysteme müssen kontrolliert werden. Dächer, die so angelegt sind, schützen die Dachhaut wesentlich besser als Kiesschüttungen. Ich spreche aus bester Erfahrung. Meine privaten Gebäudedächer wurden vor über 30 Jahren begrünt. Pflegearbeiten an Dach und Begrünung sind kaum angefallen und sind auch nicht in Sicht. Preisgünstig können sie übrigens auch sein.

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Stephan Sallermann

Röhrenspring 28

58093 Hagen