2020-06-03 -  Klimawandel: Bedeutung für die Artenvielfalt in Gewässern und Auen

von Monika Raschke


Klimawandel: Steigende Temperaturen, Dürren mit sinkenden Grundwasserständen, verheerende Stürme und sintflutartige Niederschläge.

 

Die Klimaskeptiker werden mit den Schultern zucken und sagen: Alles schon mal dagewesen z.B. in der letzten Warmzeit. Und was ist passiert? Die Natur hat sich halt angepasst. Das wird sie jetzt auch tun.

 

Tut sie auch. Trotzdem sind die Folgen zum Teil andere:

  • Einmal läuft der derzeitige menschengemachte Klimawandel schneller ab als die natürlichen in der Vergangenheit. Der Natur bleibt damit wesentlich weniger Zeit für die Anpassung. Nicht alle Arten werden das rechtzeitig schaffen.
  • Zum zweiten hat der Mensch seit der letzten Warmzeit heftig in die Natur eingegriffen. Unzählige Chemikalien wurden in Umlauf gebracht. Ein Teil davon zerfällt nicht, sondern reichert sich in der Umwelt an. Großräumig wurden Lebensräume zerstört. Durch den weltweiten Verkehr wurden invasive Arten eingeschleppt. Viele Arten sind schon durch diese Einflüsse massiv geschwächt oder sogar vom Aussterben bedroht.

In der Natur hängt alles mit allem zusammen. Wenn hier die Auswirkungen auf Gewässer und Auen beleuchtet werden, bedeutet das natürlich, dass auch die Veränderungen der terrestrischen Bereiche „nebendran“ oder im Einzugsgebiet der Bäche und Flüsse sich auswirken und umgekehrt.

 

Steigende Temperaturen haben vielfältige Auswirkungen. Alle(s) benötigen mehr Wasser:

  • Die Wachstumsphase der Pflanzen verlängert sich merklich. Dadurch steigt die Verdunstung der Bäume, Sträucher und niederen Pflanzen.
  • In den Hitzeperioden im Sommer wird in der Spitze mehr Trinkwasser verbraucht.
  • Der Bedarf an Kühlwasser steigt.
  • Die Landwirtschaft bewässert ihre Kulturen zunehmend mit stark steigender Tendenz. Üblich sind bisher Beregnungssysteme, die viel Wasser verschwenden.
Beregnung im Maisfeld
Beregnung im Maisfeld

Durch den erhöhten Wasserbedarf wird insbesondere mehr Grundwasser verbraucht. Dadurch sinken die Grundwasserstände. Gleichzeitig nimmt allein schon wegen der verlängerten Vegetationsperiode die Versickerung ab, d.h. es entsteht weniger Grundwasser neu. Feuchtgebiete und Auen fallen trocken und erleiden massive Schäden. Flachwurzelnde Pflanzen sterben ab. Amphibien gehen zugrunde, wenn sie keine Rückzugsgebiete mehr finden. Vögel, Amphibien und Säugetiere finden keine Nahrung mehr.

 

Bäche und Flüsse verlieren den Kontakt zum Grundwasser. Einige fallen dadurch trocken. Auch hier sterben Fische, Kleintiere – darunter viele Insektenarten - und Pflanzen.

 

Auch wenn eine ausreichende Wassermenge im Bach, Fluss und in der Aue bleibt: der Klimawandel führt zu höheren Wassertemperaturen. Wärmeres Wasser kann weniger Sauerstoff binden. Empfindliche Kleintiere, wie z.B. Steinfliegenlarven und Fische, die an kühle, sauerstoffreiche Bäche und Flüsse angepasst sind, ziehen sich in die Oberläufe und Quellbereiche zurück. Einige dieser kälteliebenden Arten sind vom Aussterben bedroht.

 

In die früheren Forellen- und Äschenregionen halten andere Fische wie Barben Einzug. Diese Fische besiedeln i.d.R. die langsam fließenden, wärmeren und weniger sauerstoffreichen Unterläufe der Flüsse.

Äschen...
Äschen...
... werden durch Barben verdrängt (Fotos: Stemmer)
... werden durch Barben verdrängt (Fotos: Stemmer)

Mit der Veränderung der Artenzusammensetzung bei Kleintieren und Fischen ändert sich das ganze Nahrungsgefüge. Räuberisch lebende Insektenlarven folgen ihrer bevorzugten Beute, auch wenn sie mit den geringeren Sauerstoffgehalten zurechtkommen. Auch die Fische richten sich nach dem Nahrungsangebot.

 

In die entstandene Lücke stoßen wärmeliebende Arten vor. In den größeren Flüssen in Nordrhein-Westfalen sind inzwischen wesentlich mehr „Neubürger“ zu finden als angestammte mitteleuropäische Arten. Darunter z.B. die Körbchenmuschel...

Körbchenmuscheln
Körbchenmuscheln

... und der räuberisch lebende Höckerflohkrebs. In der Lippe gibt es chinesische Wollhandkrabben. Bei den Fischen dominieren im Rhein inzwischen die aus dem Schwarzen Meer stammenden Grundeln. Eine der Grundelarten, die Schwarzmundgrundel, hat es inzwischen über die Ruhr auch bis Hagen geschafft. Die Grundeln fressen sehr gerne den Laich anderer Fische, brüten selbst in Höhlen oder Steinschüttungen und bewachen die eigenen Gelege. Sie verdrängen daher die natürlichen Fischgemeinschaften.

 

Daneben steigt die Gefahr von Fischsterben durch hohe Wassertemperaturen, Sauerstoffmangel und Austrocknung kleiner Gewässer. Krankheiten nehmen zu, die Lebenszyklen, z.B. die Laichzeitpunkte, verändern sich.

 

Viele Wasservögel wie Gänse ziehen nicht mehr in den Süden. Sie „versorgen“ dann ganzjährig Gewässer mit Nährstoffen und unterstützen damit gerade bei höheren Temperaturen ein explosionsartiges Algen- und Wasserpflanzenwachstum.

Nilgans mit Nachwuchs
Nilgans mit Nachwuchs

Algen spielen eine wichtige Rolle im Nahrungsgefüge von Gewässern. Ihr Wachstum beginnt mit steigenden Temperaturen früher im Jahr. Die Kleintiere und Fische, die Algen abweiden, sind noch nicht an die veränderte Entwicklung angepasst. Dadurch können die Algen wesentlich stärker wachsen mit negativen Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt. In der Wachstumsphase im Frühjahr und Sommer produzieren Algen tagsüber einen Sauerstoffüberschuss, während sie nachts sehr viel Sauerstoff verbrauchen. Wenn sie im Herbst absterben, zehren sie ebenfalls sehr viel Sauerstoff. In Altarmen und Staubereichen und Seen können in dieser Phase sauerstofffreie Zonen – sogenannte Todeszonen – entstehen.

Veralgter Hexenteich in Hagen
Veralgter Hexenteich in Hagen
Algenteppich auf der Ruhr in Olsberg
Algenteppich auf der Ruhr in Olsberg

In gestauten Flussabschnitten und Seen entwickeln sich Jahr für Jahr mehr und häufiger Blaualgen (Cyanobakterien). Blaualgen bilden Giftstoffe, die bei Massenentwicklungen Fische und andere Gewässerbewohner schädigen können. Da sie auch bei Menschen allergische Hautreaktionen und Entzündungen auslösen können, werden beim Auftreten von Blaualgen in der Regel Badeverbote verhängt.

 

Es gibt Maßnahmen, um die Folgen des Klimawandels in Gewässern und Auen abzumindern:

  • Das Zuviel an Wasser, das die Starkniederschläge uns bescheren, sollte in Feuchtgebieten, Auen und Mooren zurückgehalten werden. So versickert wieder mehr Wasser in das Grundwasser und die Gefahr des Austrocknens wird geringer.
  • Frühere Moore und Feuchtgebiete sollten wieder vernässt werden.
  • Kleinere Bäche und Flüsse sollten möglichst durchgehend durch Bäume und Sträucher beschattet werden. Dann bleibt die Wassertemperatur niedriger.
  • Bäche, Flüsse und Auen sind zu renaturieren, um verlorene Lebensräume wiederherzustellen.
  • Wald speichert Wasser. Bestehende Wälder sollten in naturnahe Laubwälder umgewandelt werden.
  • Regenwasser in der Stadt hat in der Kanalisation nichts zu suchen. Es sollte nicht abgeleitet, sondern wo immer möglich versickert werden.

Am dringlichsten aber ist es, einen weiteren Temperaturanstieg über die bereits jetzt zu verzeichnenden 1,3 bis 1,5° zu verhindern.