2023-04-18 -  Hagener Mehlschwalben in Gefahr!

Ein Bericht von Andreas Welzel und Jens Plümpe


Auch in Hagen sind die Mehlschwalben auf einem Tiefpunkt ihres Brutbestandes angelangt, der Absturz der Bestandszahlen ist bisher nicht beendet. Auch wenn nicht alle Brutplätze bekannt sein dürften, ist dennoch zu befürchten, dass aktuell weniger als 200 Paare im gesamten Stadtgebiet brüten.

Dies ist etwa die Zahl der Nester, die Mitte der 60er Jahre allein an einer ca. 300m langen Häuserfront in Hohenlimburg-Elsey gezählt werden konnte. Derart große Kolonien findet man heute in ganz Hagen nicht mehr, Kleinkolonien mit mehr als zehn Nestern sind schon die Ausnahme. Bei der dreijährigen Brutvogeluntersuchung zur Veröffentlichung zum Brutvogelbestand in Hagen schätzen die Vogelkundler des NABU, B.U.N.D. und Vogelschutzbund den Bestand bereits Ende der 90er Jahre auf nur noch auf 250 Brutpaare. Insgesamt geht der NABU-Hagen heute von einem Rückgang von 90% des ursprünglichen Bestandes vor 60 Jahren aus, der negative Trend scheint sich fortzusetzen.

Mehlschwalbenkolonie mit gut 20 Nestern an der Wand und unter der Decke eines Schleusengebäudes am Ijsselmeer. Kornwerderzand 6. Jun 2015, Foto: W. Steinschulte
Mehlschwalbenkolonie mit gut 20 Nestern an der Wand und unter der Decke eines Schleusengebäudes am Ijsselmeer. Kornwerderzand 6. Jun 2015, Foto: W. Steinschulte

Damit ist Hagen aber nicht allein: der Brutbestand in NRW wurde noch 2016 als „häufig bis mäßig häufig“ eingestuft, doch der Langzeittrend verzeichnet einen „mäßig bis starken“ Rückgang in den letzten 25 Jahren, der Kurzzeittrend gar eine „sehr starke Abnahme“ von mehr als 50%. Deshalb ist die Mehlschwalbe auf der Liste bedrohter Vogelarten angekommen („Rote Liste“) und wurde in Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ eingestuft.

Für den Niedergang der Mehlschwalben gibt es nicht nur einen Grund. Da ist die Versiegelung der Landschaft zu nennen: keine Straße und kein Weg mehr ohne Asphaltierung, kaum noch gibt es Pfützen auf offenen Wegen, wo notwendiges Baumaterial für die Nester beschafft werden kann. Neben einer ständig ungünstigeren Art und Weise der Ausübung von Landwirtschaft mit einhergehendem Insektenmangel spielt bei der Mehlschwalbe auch die Art des modernen Gebäudebaus mit einer rapiden Verschlechterung der Nistplatzsituation eine Rolle. Dazu kommt – wie der NABU in seinem Online-Artenportrait „Mehlschwalbe“ ausdrücklich festhält – zusätzlich auch noch die bewusste Zerstörung der Nester durch Eigentümer oder Bewohner von Häusern hinzu. Dies geschieht auch in Hagen: Anwohner berichteten, dass in Eilpe bei Dachrenovierungsarbeiten die Mehlschwalbennestlinge auf die Straße stürzten, andernorts wurden Nester während der Brutzeit mit Dachlatten abgeschlagen.

Die Folge dieser Belastungen ist eine zu niedrige Reproduktionsrate, d. h. „unterm Strich“ sterben mehr Mehlschwalben als in der Brutzeit aufgezogen werden können. Auf Dauer führt dies zum Aussterben einer Vogelart. Deshalb ist es mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern der gesamten EU strafrechtlich verboten, Schwalbennester oder -gelege zu beschädigen oder zu zerstören. In Nordrhein-Westfalen beträgt das Bußgeld für eine solche Tat bis zu 10.000 €.

Früher galten Schwalben bei uns als Glücksbringer, dies ist heute noch in Japan so: dort wo Schwalben brüten, bleibt das Haus vor Unheil bewahrt. Die Zerstörung von Nestern hat wohl seinen Grund in einer veränderten, zweifelhaften Sauberkeitsvorstellung von Außenfassaden. In der letzten Woche der Brutzeit geben die Jungvögel ihren Kot nach außen ab, so dass bei ungünstigem Wind die Wand beschmutzt werden kann, doch die Verschmutzung hält sich in Grenzen und wird an schwalbenfreundlichen Häusern mit „Schwalbenbrettchen“ vermieden, die so unter die Nester montiert werden, dass noch ein freier Anflug zur Fütterung möglich ist. Es ist erschreckend, dass der Erhalt der Mehlschwalbe inzwischen von Naturschutzmaßnahmen wie diesen abhängig ist, doch ist der Schutz der Nester – insbesondere der natürlichen Nester – von enormer Bedeutung.

Künstliche Nester (Nisthilfen) mit „Schwalbenbrettchen“, Sommerhausen 29.6.2013, Foto: A.  Welzel
Künstliche Nester (Nisthilfen) mit „Schwalbenbrettchen“, Sommerhausen 29.6.2013, Foto: A.  Welzel

Was kann jeder zum Schutz der Mehlschwalben tun?

  • helfen, den Restbestand zu schützen, damit sich der Brutbestand erholen kann, hier zählt jede erfolgreiche Brut
  • die Nachbarn davon überzeugen, Nester zu erhalten und über die Bedeutung der Schwalben für den Naturhaushalt informieren, aber auch über deren strengen Schutz sowohl in der BRD als auch im EU-Recht (Strafbarkeit der Vernichtung von Nestern)

Wahrscheinlich sind dem NABU-Hagen nicht alle Neststandorte des Stadtgebietes bekannt, was aber notwendig wäre, um die Entwicklung der Hagener Mehlschwalben gut einschätzen zu können. Deshalb möchten wir möglichst alle aktuellen Brutplätze des Stadtgebietes erfassen und bitten um Hinweise zu Niststandorten.

Informieren Sie uns bitte über folgende Umstände gefundener Mehlschwalbennester in 2023:

  1. Datum, Straße, Hausnummer
  2. Anzahl aller Nester (auch alte, beschädigte oder Spuren alter Nester)
  3. Anzahl der Nester, aus denen Mehlschwalben herausschauen, aus- oder einfliegen

Melden kann man per Post...

 

NABU-Hagen

Haus Busch 2

58099 Hagen

 

... oder Digital mit folgendem Eingabeformular:


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Mehlschwalben sammeln Nistmaterial, Hagen Dahl 29.5.2020, Foto: A. Welzel
Mehlschwalben sammeln Nistmaterial, Hagen Dahl 29.5.2020, Foto: A. Welzel