2025-06-20 - Stellungnahme Bauvoranfrage Windkraft Stoppelberg - Naturschutzverbände Hagens


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1 Stellungnahme WEA 6+7 - BUND Nabu LNU
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2 Anlage 1 - Auszug aus der Stellungnahm
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3 Anlage 2 - SV_52_11_24_GEP_1_Aend_RPl_
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An die

Gemeinsame Untere Umweltschutzbehörde der Städte Bochum, Dortmund und Hagen

z.Hd. Frau Winkelmann

Schwerter Str. 168

58099 Hagen

 

Stellungnahme der Hagener Naturschutzverbände Nabu, B.U.N.D. und LNU

zum Antrag auf Vorbescheid nach § 9 BImSchG der SL Windenergie GmbH vom 3.12.2024 des Windpark Hohenlimburg – WEA 6 und WEA 7

 

Sehr geehrter Frau Winkelmann,

nachfolgend nehmen wir Stellung zu den im Antrag auf Vorbescheid gestellten Auskünfte zur planungs- und genehmigungsrechtlichen Einordnung des Vorhabens.

 

1 Zur Fragestellung des Antragstellers im ersten Spiegelstrich, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben im Außenbereich nach 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder um ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nach Maßgabe des § 249 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB handelt.

Aus folgenden Gründen kann dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend entschieden werden:

a) Gemäß § 249 BauGB sind Vorhaben der Nutzung von Windenergie im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Öffentliche Belange stehen einem solchen Vorhaben in der Regel auch dann entgegen, wenn hierfür durch Darstellungen als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Ob dem Vorhaben öffentliche Belange wie die Ziele der Raumordnung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB entgegenstehen, kann zur Zeit nicht abschließend beurteilt werden, da diese Ziele in der Regionalplanung festgelegt werden. Solange der Vorhabenstandort dort nicht als Windenergiebereich festgestellt ist, kann ein Widerspruch mit den Zielen der Raumordnung nicht ausgeschlossen werden, z. B. weil eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgen könnte (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

Die beantragten beiden WEA liegen nach eigenen Ermittlungen zwar innerhalb des im 1. Änderungsentwurf zum Regionalplan vorgesehenen Windenergiebereiches Hag_02, jedoch ist über den Entwurf noch nicht entschieden worden. WEA 6 liegt außerdem unmittelbar im nördlichen Grenzbereich des Gebietsvorschlages, so dass die Lage im geplanten Windenergiebereich nochmals genauestens geprüft werden muss. Weiterhin haben sowohl die Naturschutzverbände als auch die Stadt Hagen im Beteiligungsverfahren Stellungnahmen abgegeben, die auf eine Verkleinerung des geplanten Gebietes abzielen. Die beantragten Standorte könnten hiervon betroffen sein. WEA 7 liegt nach eigener Ermittlung unmittelbar an der von der Stadt Hagen angeregten Begrenzungslinie für das Windenergiegebiet; die Verkleinerung wurde wegen Berücksichtigung von Abstandsflächen zu Wohngebieten angeregt. WEA 6, so denn überhaupt im geplanten Windenergiebereich gelegen, befände sich in einem ökologisch sensiblen Bereich (hängiges Gelände, Geschützte Biotope angrenzend, Vorkommen windkraftsensibler Vogelarten, verkehrsarmer Erholungswald und vieles mehr) in nur 400 m Abstand zu einem NSG, weshalb eine Herausnahme dieses Bereiches von den Verbänden vorgeschlagen wurde. Die umfangreiche Begründung für eine Herausnahme bitten wir der angefügten Stellungnahme der Naturschutzverbände zum Regionalplan Ruhr – 1. Änderungsverfahren zu entnehmen (s. Anlage).

b) Möglicherweise befindet sich der Standort der WEA 6 auch bereits außerhalb des geplanten Windenergiegebietes von HAG 02. In dem Fall richtet sich die Zulässigkeit nur solange nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wie die Flächenbeitragswerte des Landes NRW für die Region oder noch nicht festgestellt worden sind (§ 249 Abs. 2 BauGB). Gemäß § 36a des Landesplanungsgesetzes NRW sind Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben für sechs Monate ab dem Inkrafttreten allgemein untersagt, wenn der jeweilige Vorhabenstandort außerhalb eines vorgesehenen Windenergiegebietes liegt. Dies gilt auch für Verfahren nach § 9 BImSchG.

 

2 Zur Fragestellung des Antragstellers im zweiten Spiegelstrich, ob das Vorhaben Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Stadt Hagen widerspricht.

Dies ist mit „ja“ zu beantwortet, da der FNP im betreffenden Bereich Flächen für die Forstwirtschaft darstellt.

 

3 Zur Fragestellung des Antragstellers im dritten Spiegelstrich, ob das Vorhaben gemäß § 35 Abs.3 Satz 2 BauGB den Zielen der Raumordnung widerspricht.

Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt - wie bereits ausgeführt -, nicht abschließend zu beantworten, da sich das 1. Änderungsverfahren zum Regionalplan Ruhr – Ausweisung von Windenergiebereichen noch im Verfahren befindet. Solange der Vorhabenstandort dort nicht als Windenergiebereich festgestellt ist, kann ein Widerspruch mit den Zielen der Raumordnung nicht ausgeschlossen werden, weil eine Ausweisung möglicherweise an anderer Stelle erfolgen wird (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

 

4 Zur Fragestellung des Antragstellers im vierten Spiegelstrich, ob dem Vorhaben Belange unter Berücksichtigung der Regelung des § 245 e BauGB öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstehen, weil Darstellungen im Flächennutzungsplan der Stadt Hagen oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

Dies kann ebenfalls aus vorgenannten Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht entschieden werden. Die 1. Änderung des Regionalplanes Ruhr zur Ausweisung von Windenergiegebieten befindet sich noch im Verfahren. Ob die beantragten Standorte für die WEA 6 und WEA 7 sich in einem festgestellten Windenergiebereich befinden werden oder nicht, ist noch nicht absehbar. Solange die Vorhabenstandorte dort nicht als Windenergiebereich festgestellt sind, kann ein Widerspruch mit den Zielen der Raumordnung nicht ausgeschlossen werden, weil eine Ausweisung möglicherweise an anderer Stelle erfolgen wird (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

 

Bezüglich der WEA 6 wird nochmals ausdrücklich auf die äußerste Randlage im WEB Hag_02, wie er im Entwurf für die 1. Änderung des Regionalplan Ruhr vorgesehen ist, und die Erforderlichkeit einer Überprüfung der Sachlage hingewiesen. Möglicherweise liegt der Standort nicht im Entwurfsbereich. In diesem Fall ist zu beachten, dass am 31.1.2025 im Bundestag eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschlossen wurde (Gesetz für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau), welches zwischenzeitlich Rechtskraft erlangt hat. Auch gemäß § 36 a Landesplanungsgesetz entfällt demnach das berechtigte Interesse für einen Antrag auf Vorbescheid nach § 35 BauGB, wenn der Vorhabenstandort außerhalb von ausgewiesenen oder in Aufstellung befindlichen Windenergiegebieten liegt. Dann wird auch die Regelung des § 9 (1a) BImSchG hinfällig, wonach zum Entscheid über die Bauvoranfrage keine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.

Das bedeutet auch, dass erst nach Vorlage einer vorläufigen UVP (§ 29 Abs. 1 UVPG) über die Bauvoranfrage entschieden werden kann.

 

Sollte ihrerseits die Prüfung der Bauvoranfrage zu dem Ergebnis kommen, dass für die dort gestellten Fragen oder Teile davon entschieden werden muss, wird vorsorglich auf die Regelungen des § 21 BImSchG hingewiesen, wonach ein Widerruf des Bescheides möglich ist, wenn dieser im Bescheid vorbehalten ist, z.B. bei geänderter Rechtsvorschrift. Dieser Widerrufsvorbehalt ist deshalb unbedingt aufzunehmen.

 

Hinweise, die nicht die Fragen des Antragstellers betreffen

In Ihrem Anschreiben vom 19.05.2025 an das Landesbüro der Naturschutzverbände erwähnen Sie, dass der Antragsteller den Standpunkt vertritt, die beantragten zwei Windkraftanlagen stünden in keinem funktionalen Zusammenhang mit den bereits bestehenden vier Anlagen des Windpark Hohenlimburg. Diese Ansicht wird von den Naturschutzverbänden nicht geteilt.

Gemäß § 2 Absatz 5 UVPG sind Windfarmen im Sinne des Gesetzes drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sie sich in einem Gebiet nach § 7 Abs. 3 Raumordnungsgesetz (ROG) befinden, also z.B. in einem ausgewiesenen Windenergiegebiet.

Ebenso wie die vorhandenen WEA 1, 2 und 4 befindet sich die beantragte WEA 7 in und die beantragte WEA 6 eventuell in, zumindest aber unmittelbar neben einem geplanten Windenergiegebiet (HAG 02). Die vorhandene WEA 3 liegt zwar nicht im geplanten Windenergiegebiet, aber in weniger als 400 m Abstand zu WEA 1 und 4 ist betrieblich, technisch und wirtschaftlich und mit den anderen bereits vorhandenen Anlagen verbunden. Die geplanten Neuanlagen liegen ca. 500 m oder weniger entfernt von den vorhandenen WEA.

 

Zum Antrag auf Bauvorbescheid - berechtigtes Interesse

Bisher liegt für den gesamten Standort im Bereich Stoppelberg/ Schleipenberg lediglich eine vor mehr als sieben Jahren erstellte Allgemeine Vorprüfung nach § 2 UVPG vor, jedoch keine regelrechte UVP. Infolgedessen kann über den Standort dieser Anlagen nicht durch Vorbescheid entschieden werden, denn die Auswirkungen können nicht – wie in § 9 BImSchG gefordert - ausreichend beurteilt werden. Dies betrifft

- die Störung durch Geräusche des Baubetriebs einer Großbaustelle und den Betrieb der Anlage selbst mit der Folge einer Beeinträchtigung von lärmarmen Räumen mit der damit verbundenen Erholungsfunktion für den Menschen sowie des Habitatverlustes von sensiblen Arten durch Verdrängung

- die Zerstörung von Lebensräumen geschützter Arten in ihren Fortpflanzungs- und Überwinterungsstätten und weiterer Schutzgüter nach § 2 Abs. 1 UVPG

Dies Betrifft grundsätzlich auch Änderungsvorhaben nach § 2 Abs. 4 UVPG.

 

Überschneidungsbereich

Es handelt sich um mindestens sechs Anlagen mit einer Höhe >50 m, infolgedessen ist eine Allgemeine UVP-Vorprüfung erforderlich. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zu Überschneidungsbereichen (10-facher Rotordurchmesser) wären neben den sechs Anlagen am Stoppelberg/ Schleipenberg weitere Anlagen in der Umgebung zu berücksichtigen.

Von den zwei zugrunde liegenden Kriterien einer erforderlichen UVP-Vorprüfung ist das einer „Überschneidung“ zweifelsfrei gegeben, die Abstände werden bei den bestehenden und beantragten Anlagen um das Dreifache unterschritten.

 

Funktioneller Zusammenhang

Auch wenn das geplante Windenergiegebiet noch nicht gemäß § 7 ROG festgestellt ist und nicht alle vorhandenen und geplanten Anlagen innerhalb eines für die Windenergie zur Ausweisung vorgesehenen Gebietes liegen, ist zu prüfen, ob sich aus den Gegebenheiten im Einzelfall dennoch ein funktionaler Zusammenhang ergibt. Ein funktionaler Zusammenhang kann sich etwa aus gemeinsamen baulichen oder betrieblichen Anlagen oder Zuwegungen ergeben (siehe dazu Fachagentur Wind an Land - FA Wind-, UVP und UVP-Vorprüfung, Berlin 2018, S. 13).

Die Zufahrten werden voraussichtlich in Verlängerung der bereits für die WEA 1-4 angelegten Zufahrten stattfinden. Technisches und betriebliches Management und Wartung dürften ebenfalls einheitlich organisiert und betrieben werden. Die Stromproduktion der vorhandenen Anlagen wird aktuell direkt an einen Industriebetrieb vermarktet. Für die neuen Anlagen mögen andere Vermarktungsmodelle angedacht sein, doch wird die Vermarktung generell vom Markt und den örtlichen Möglichkeiten abhängig sein, so dass mittelfristig Änderungen erforderlich werden und grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können. Deshalb kann die Vermarktungsfrage kein ausschlaggebendes Kriterium für einen funktionalen Zusammenhang sein.

Den funktionellen Zusammenhang im Sinne einer Windfarm sehen wir auch in folgenden Punkten erfüllt:

1 Es handelt sich um denselben Antragsteller, der die bestehenden Windkraftanlagen betreibt. Abgesehen davon hat der 8. Senat des OVG zur Vermeidung einer gesellschaftlichen Verquickung eine Berufung auf Tochtergesellschaften abgelehnt, maßgeblich ist die letztendlich entscheidende Instanz eines Unternehmens.

2 Die beantragten WEA unterscheiden sich nicht in Anlagentyp, Größe und Fabrikat.

3 Mit der Formulierung im Titel des Antrags vom 3.12.2024 („Erweiterung des Windparks“) stellt der Antragsteller selbst den Zusammenhang mit den bestehenden Anlagen im Betrieb her.

4 Der Antragsteller lädt zu einer „Windparkeröffnung“ ein. Plakat Windpark-Eröffnung SL-Naturenergie, 27.Aug 2024, Nahmertal

5 Die beantragten Anlagen befinden sich gemeinsam mit mindestens zwei Bestandsanlagen in demselben geplanten Windenergiebereich (WEB Hag_02).

6 Der Antragsteller benennt die beantragten Anlagen als „WEA 6“ und „WEA 7“ und setzt damit folgerichtig die Bezeichnung der bestehenden Anlagen „WEA 1“ bis „WEA 4“ des Windparks fort.

7 Zuwegungen und Lagerflächen des bestehenden Windparks werden voraussichtlich auch genutzt für die Errichtung von WEA 6 und WEA 7 genutzt. Rückbaumaßnahmen aus dem Baubetrieb zu WEA 1-4 sind bisher nicht erkennbar. 

 

Weiterhin möchten wir auf einen ausführlichen Beitrag der Stiftung Umweltrecht zum Windfarmbegriff im UVPG 2017 aus dem Jahre 2022 hinweisen (abrufbar im Internet), der weitere Aspekte zur rechtssicheren und sachgerechten Auslegung des UVPG dargelegt und auch aktuellere Gerichtsurteile dazu angeführt.

Demnach „scheint es in zeitlicher Hinsicht möglich, nicht allein auf bereits rechtswirksame Pläne abzustellen, sondern auch Planentwürfe ausreichen zu lassen, soweit sie bereits einen ausreichenden Rechtsboden für die gesetzliche Fiktion darstellen. Hiervon könnte man parallel zu den Anwendungsvoraussetzungen für die Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen nach § 12 Abs. 2 ROG dann ausgehen, wenn jedenfalls ein von dem zuständigen Organ beschlossener Zielentwurf vorliegt. Zwar kann sich dieser in der Folge von Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungen noch ändern, für die Anknüpfung der gesetzlichen Fiktionswirkung des Regelbeispiels scheint dies jedoch hinnehmbar, ohne dass damit dessen rechtssichere Anwendbarkeit zu weitgehend beschränkt würde. In Zukunft könnte insoweit auch an die im Raumordnungsgesetz geplante Definition von „in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung“ angeknüpft werden. In beiden Fällen wäre letztlich entscheidend, dass die Kriterien zur Bestimmung ausreichend weit fortgeschrittener Planentwürfe hinreichend rechtssicher bestimmbar sind“.

Weiter heißt es:

„Nach der bisherigen Rechtsprechung zur Bestimmung des Regelbeispiels ist es zudem nicht nur unerheblich, ob eine der im Zulassungsverfahren betrachteten Bestandsanlagen bereits zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, in dem eine entsprechende Planausweisung noch nicht vorlag, diese der Errichtung vielmehr zeitlich nachfolgte. Vielmehr soll es der Annahme des Regelbeispiels auch nicht entgegenstehen, wenn die für die Verklammerungswirkung maßgebliche Konzentrationszone erst nach der verfahrenslenkenden behördlichen Entscheidung über das Bestehen einer UVP-Pflicht rechtswirksam geworden ist. Über das auf diese Weise eher eng verstandene Regelbeispiel des § 2 Abs. 5 S. 2 UVPG lassen sich diejenigen Fälle rechtssicher identifizieren, in denen unter der Voraussetzung gleichzeitig sich überschneidender Einwirkungsbereiche in jedem Fall eine Windfarm vorliegt.

Jenseits der Fälle des Regelbeispiels kann ein funktionaler Zusammenhang gemäß § 2 Abs. 5 S. 2 UVPG auch auf sonstige Weise begründet werden, z.B. im Sinne von § 10 Absatz 4 für die Kumulation von Vorhaben". (s. Caroline MOOG/Nils WEGNER; Der Windfarmbegriff im UVPG 2017 – rechtssicher und sachgerecht? Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 28 vom 13.09.2022).

 

Zur Notwendigkeit einer UVP-Vorprüfung

Insgesamt wird deutlich, dass für die Feststellung des Bestehens einer Windfarm im Sinne des UVPG eine Einzelfallprüfung erfolgen muss, da die beiden Kriterien (Überschneidung des Einwirkungsbereichs und funktionaler Zusammenhang) auf veränderlichen Faktoren beruhen. Das Regelbeispiel für die Abgrenzung unter Betrachtung einer vorhandenen raumordnerischen Planung kann ein hilfreiches Zuordnungsmerkmal sein, ist aber nicht allein ausschlaggebend.

Leider holt der Antragsteller keine Auskünfte über die Beeinträchtigung von Natur und Umwelt und deren Schutzgütern ein. Man kann annehmen, dass Vorhabenträger, Planungs- und Zulassungsbehörden davon ausgehen, dass aufgrund der zeichnerischen Darstellung des WEB_02 keine Probleme mit dem Artenschutz bestehen bzw. diese durch die üblichen Maßnahmen des entsprechenden Leitfadens sicher vermieden werden können. Tatsächlich ist aber keine von den Naturschutzverbänden bereits 2021 geforderte vollumfängliche UVP erstellt worden, so dass die Betroffenheit von Umweltbelangen von der Behörde aufgrund der Aktenlage nicht zu beurteilen ist. Möglicherweise ist der RVR bei der Planung des WEB Hag_02 am Stoppelberg und Schleipenberg hinsichtlich der Windkraftanlagen 1-4 von einem Betrieb auf der Grundlage einer UVP ausgegangen.

Die Erhebungen des Nabu und weitere Untersuchungen (Gutachterbüro Lange) bzw. Prüfungen (Bosch & Partner) sowie Auswertungen des unabhängigen vogelkundlichen Datenportals „ornitho.de“ des DDA belegen, dass Einrichtung und Betrieb von Windkraftanlagen an diesem Standort in hohem Maß naturunverträglich und mit einer umweltschonenden Energiegewinnung nicht vereinbar sind.

Auf Seite 5 des Antrags werden in einer Projektkurzbeschreibung „Auswirkungen auf die Umwelt“ angesprochen, doch fehlen leider jegliche Betrachtungen zu Auswirkungen auf Natur und Landschaft insbesondere auf die Schutzgüter Boden, Gewässer sowie Flora und vor allem Fauna, die im noch durch ein Genehmigungsverfahren und eine unserer Meinung nach durch eine UVP-Vorprüfung bzw. UVP zu bearbeiten sind.

Schon jetzt können wir Aufgrund unserer und externer Daten (Bosch & Partner, Büro Lange, ornitho.de) die erhebliche Betroffenheit von Umweltbelangen sehr gut belegen. Bezüglich des Schutzgutes „Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit“ und der festgestellten lärmarmen Erholungsräume werden erhebliche Umweltauswirkungen nicht ausgeschlossen (s. Artenschutzfachbeitrag zur 1. Änderung Regionalplan, Bosch & Partner), dies betrifft ausdrücklich die Bereiche nördlich der bestehenden Windkraftanlagen mir den Standorten der WEA 6 und WEA 7. Das Fazit im Umweltbericht zum WEB Hag_02 und damit zum gesamten Bereich Planungsgebiet Stoppelberg/ Schleipenberg und damit incl. der Standorte WEA 6 und WEA 7 lautet:

„Hinsichtlich der schutzgutbezogenen Beurteilung sind voraussichtlich bei drei Kriterien (Erholen (lärmarme Erholungsräume), Wälder mit Erholungsfunktion, regional bedeutsame Kulturlandschaftsbereiche) erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten, so dass die Umweltauswirkungen schutzgutübergreifend als erheblich eingeschätzt werden.“ (Umweltbericht Artenschutzfachbeitrag zur 1. Änderung Regionalplan, Bosch & Partner)

Da es sich hier um einen Bereich mit unterschiedlichen Schutzgütern wie lärmarme Räume, Boden und Gewässer sowie hoher Biodiversität mit einem Arteninventar geschützter, windsensibler und bedrohter Tierarten handelt, sind die zu erwartenden Beeinträchtigungen von Natur- und Umwelt vielfältig und darüber hinaus bereits jetzt an der massiven Naturzerstörung am Stoppelberg durch die seit vier Jahren betriebene Großbaustelle für die WEA 1-4 zu erkennen. Dies ist in gleichem Maße für die WEA 6 (Wanderweg A4 und A6 zwischen Wesselbach- und Holthauserbach) und WEA 7 (Schleipenberg) zu erwarten. Auch die Beeinträchtigung von Gewässern sowie die Auswirkungen durch Umlagerungen und Verdichtung von Böden auf eine veränderte Hydrogeologie sind im Zusammenhang mit dem von der Gemeinde zu leistenden Hochwasserschutz genauer zu betrachten. Die Auswirkungen von Wald- und Rückewegen auf den Abfluss von Erosionsmaterial führenden Starkregenmassen mussten 2021 die unterhalb des Planungsgebietes liegenden Stadtteile Nahmer, Wesselbach und Holthausen erfahren. Welchen Einfluss die Fundamente der Anlagen, die befestigten und geschotterten Wege, die zur Nivellierung der Bergkuppen mit schwerem Gerät verlagerten Erdmassen und die fußballfeldgroßen Stellflächen für Baugerät und Material haben, sollte vor Genehmigung untersucht sein. In all diesen Bereichen erfolgt eine Verdichtung des Bodens (Umweltbericht Bosch & Partner)

Hinweis auf LSG: Auch wenn LSG mittlerweile für die WEA geöffnet sind, ist darin nicht implementiert, dass dies unter Unkenntnis und einer daraus folgenden Nichtbeachtung der Naturgegebenheiten vor Ort geschieht und zwangsläufig den Ausschluss einer UVP zur Folge hat.

Deshalb sehen wir eine positive Bescheidung des Bauvorbescheides mit einem daraus entstehenden Rechtsanspruch ohne eine vorausgehende Untersuchung als erheblich problematisch an. Bestätigt eine UVP-Vorprüfung die bereits bekannten erheblichen Auswirkungen auf die Schutzgüter fest, besteht eine UVP-Pflicht.

Nach § 9 (2) UVPG gilt dies auch für Änderungsvorhaben, bei denen ein „in Anlage 1 angegebener Prüfwert für die Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschritten wird und eine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann“. …. „Für die Vorprüfung bei Änderungsverfahren gilt § 7 entsprechend § 9 UVPG (4)

 

Abschließende Information

Die flächenmäßig kleine Stadt Hagen leistet bereits mit genehmigten oder betriebenen WEA seinen Beitrag zum Flächenziel von Windkraft. Diese Anlagen befinden sich allesamt in wertvollen Naturräumen des Hagener Südens. In diesem Bereich soll nach Planungen des RVR ein massiver Ausbau von Windkraft auf 150 ha Fläche erfolgen, womit Hagen gemeinsam mit den großflächigen Städten Recklinghausen, Dorsten, Haltern und Datteln die vordersten Plätze unter den mehr als 40 Gemeinden des RVR belegt. Übertroffen wird dies in der geplanten Nutzung von Flächenpotential, hier soll Hagen mit 70% des Flächenpotentials mehr zur Verfügung stellen als jede andere Stadt oder Gemeinde im Geltungsbereich des RVR. Die WEB-Kulisse des Entwurfs stellt keine gerechte und raumverträgliche Verteilung der Belastung durch den Ausbau der Windenergie dar. Das Landesbüro der Naturschutzverbände kritisiert in seiner Stellungnahme zum 1. Änderungsentwurf des Regionalplanes diese sehr starke Belastung weniger Teilbereiche des Plangebiets, da es der verfolgten Absicht widerspricht, eine Überlastung einzelner Gemeinden zu vermeiden.

 

Anlage 1: Auszug aus der Stellungnahme der Hagener Naturschutzverbände zum Regionalplan Ruhr – Entwurf des 1. Änderungsverfahren (Bestandteil der Gesamtstellungnahmen der Naturschutzverbände NRW)

 

Anlage 2: Stellungnahme der Naturschutzverbände NRW zum Regionalplanentwurf – Allgemeiner Teil